2008 kam der Trend „Virtual Reality“ erstmals auf. Während die anfängliche Euphorie für diese Technologien zwischendrin wieder abebbte, scheinen VR und AR ein Comeback zu feiern. Nach Angabe des Beratungsunternehmens PwC stiegen die Erlöse im Jahr 2018 um 38 % zum Vergleich des Vorjahres. Bis 2023 wird zudem ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 19 % prognostiziert.

Bei der virtuellen Realität (engl. Virtual Reality, VR) kann der Nutzer mittels einer VR-Brille in eine mit Computertechnik simulierte Realität eintauchen (auch genannt Immersion). In der erweiterten Realität (engl. Augmented Reality, AR) werden im Sichtfeld des Nutzers zusätzliche Informationen und Elemente eingeblendet, während dieser gleichzeitig weiterhin die echte Realität wahrnehmen kann. Doch wo macht VR/AR wirklich Sinn?/

VR-Lernwelten: Das Glassroom-Projekt

Für Unternehmen bieten VR- und AR-Techniken die Möglichkeit, Mitarbeiter individuell in Einzeltrainings anzuleiten und für bestimmte Aufgaben zu qualifizieren. Weiterbildungen mittels Virtual und Augmented Reality lassen sich vor allem im Bereich des Maschinen- und Anlagenbaus einsetzen. Ein erstes Beispiel, wie diese Art der Weiterbildung funktioniert, zeigt die Universität Osnabrück mit dem Glassroom-Projekt. Aus vorhandenen Konstruktionsdaten wird eine virtuelle Darstellung einer Maschine erzeugt, an der Nutzer geschult werden. Die erforderlichen Arbeitsschritte werden in die virtuelle Umgebung geladen und der Mitarbeiter wird Schritt für Schritt durch den zu erledigenden Arbeitsprozess geführt. Auf diese Weise lassen sich risikofrei Fehler machen, aus denen die Teilnehmer lernen können. In der Praxis kann zusätzlich eine Ergänzung zum Lernkonzept mittels AR-Brillen erfolgen. Die Smart Glasses blenden dem Mitarbeiter in Abhängigkeit von der Aufgabe während der Arbeit ergänzende Informationen im Sichtfeld ein. In dieser erweiterten Realität kann der Nutzer die Prozessschritte an der realen Maschine genauso ausführen, wie dieser es zuvor in der virtuellen Realität gelernt hat.

Auch die Deutsche Bahn und der Motorsägen-Hersteller Stihl schulen ihre Mitarbeiter mit VR-Techniken. So wurde 1.000 Mitarbeitern der Bahn beigebracht, wie man den Hublift – einen Mini-Lift für Rollstuhlfahrer – am ICE 4 zusammenbaut und ausklappt. Mit 28 notwendigen Arbeitsschritten wäre diese Schulung im realen Leben sehr aufwendig, da hierfür immer ein leerer Zug bereitstehen müsste. Die Teilnehmer übten diese Arbeitsschritte daher mittels VR-Brille in einem Konferenzraum. Bei Stihl werden gefährliche Situationen wie das Fällen eines Baums ebenfalls zunächst in sicherer Umgebung geprobt. In der Schulung hält der Teilnehmer eine mit Sensoren ausgestattete echte Säge in der Hand, mit der dann Schritt für Schritt die Simulation des Baumfällens durchgegangen wird. Erst danach geht es für die Mitarbeiter in den Wald.


Mixed Reality mit Microsoft

Der Softwarehersteller Microsoft setzt mit seinem Produkt Microsoft HoloLens auch auf Mixed Reality, also die Kombination von Virtual und Augmented Reality. Microsoft HoloLens ist ein eigenständiges holografisches System, welches die Einblendung von 3D-Hologrammen in der realen Welt ermöglicht. In der Chirurgie bspw. lassen sich so Patientenbilder aus dem CT und MRT holografisch darstellen. Auf diese Weise können Ärzte das Krankheitsbild genauer analysieren, Patienten besser aufklären und den bevorstehenden Eingriff im Vorfeld intensiver planen. Weitere Beispiele, in denen Microsoft HoloLens bereits eingesetzt wird, hat das Unternehmen in seinem Blogbeitrag vorgestellt.


Mixed Reality mit Microsoft HoloLens – Bild: © Microsoft

Dreamwalker: Der nächste Clou von Microsoft?

Während VR- und AR-Technologien bisher in geschlossenen Räumen Anwendung fanden, geht Microsoft noch einen Schritt weiter. Zukünftig sollen VR-Erlebnisse auch in der Öffentlichkeit stattfinden, d. h. wir bewegen uns weiterhin in der realen Welt, während wir gleichzeitig in eine virtuelle Welt eintauchen. Microsoft-Forscher entwickelten mit Dreamwalker ein VR-System, das genau dies ermöglicht. Sie können also auf dem Weg zur Arbeit durch die Ihnen altbekannten Straßen laufen und diese Strecke mithilfe der VR-Technik in einen Spaziergang durch die Straßen Manhattans umwandeln.

Bevor man losgeht, plant die Technik eine Route in der virtuellen Welt, der der Strecke in der realen Welt so ähnlich wie möglich ist. Damit trotzdem eine Sicherheit aller Straßen- und Verkehrsteilnehmer in der realen Welt gewährleistet ist, verfügt das System über verschiedene Sensoren, die die Umgebung des Nutzers in Echtzeit überwachen. Dies sind bspw. zwei RGB-Tiefenkameras, die unterwegs Hindernisse und Gefahren in unmittelbarer Nähe erkennen. Befinden sich auf der realen Strecke z. B. Straßensperrungen oder parkende Autos, fügt das VR-System diese ebenfalls in der virtuellen Welt ein. Auf diese Weise wird man um potenzielle Gefahrenstellen navigiert. Tauchen in der realen Welt andere Fußgänger auf, werden diese ebenso in der virtuellen Welt erzeugt, um nicht versehentlich in diese hineinzulaufen.

Das Problem, wie bei allen bisher aufgetauchten VR-Technologien: Für die große Masse sind die benötigten Systeme wie Brillen oder Headsets bisher schlichtweg zu teuer. Mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G könnte sich dies jedoch auch bald ändern, denn 5G bietet die für VR benötigten niedrigen Latenzzeiten und ist gleichzeitig für hohe Datenmengen ausgelegt. Man darf also gespannt sein, wie sich das neue Microsoft-Projekt zukünftig auf dem Markt entwickeln wird.


Fazit

Während VR und AR bisher für private Anwender mit zu hohen Investitionskosten verbunden ist, haben sich diese Technologien im professionellen Bereich bereits bewiesen. Besonders in der Schulung von Mitarbeitern lässt sich dank Virtual Reality eine qualifizierte und individuelle Weiterbildung durchführen. Aber auch zur intensiveren Planung von OP-Eingriffen kann die Kombination aus VR und AR erfolgreich genutzt werden.