Künstliche Intelligenz (KI) ist mittlerweile nicht nur Bestandteil unseres Alltags geworden, wie wir im ersten Teil unserer KI-Serie gezeigt haben, sondern wird zukünftig auch die Art und Weise wie wir arbeiten verändern. In deutschen Unternehmen ist KI eines der Top-Themen, wie die von Microsoft in Auftrag gegebene Studie Artificial Intelligence in Europe zeigt: 72 % der Unternehmensverantwortlichen beschäftigen sich bereits mit diesem Thema.
In unserem zweiten Serienteil über Künstliche Intelligenz zeigen wir Ihnen einige Bereiche, in denen KI-basierte Software heute schon im Arbeitsalltag genutzt und wie diese insbesondere das Gesundheitswesen verändern wird.
Künstliche Intelligenz für eine Arbeitswelt im Wandel
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz wird über kurz oder lang unsere Produktivität steigern – mit Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Die Angst, Künstliche Intelligenz könnte dem Arbeitsmarkt schaden und menschliche Arbeitskraft ersetzen, ist jedoch unbegründet. Vielmehr geht es bei einem KI-Einsatz darum, dem Arbeitnehmer unterstützend zur Seite zu stehen und diesem Routineaufgaben abzunehmen.
Erste Veränderungen lassen sich bereits in der Versicherungsbranche feststellen: Bei derzeit 34 von 550 staatlich beaufsichtigten Versicherungsunternehmen wird Künstliche Intelligenz im Bereich der Risikoeinschätzung und Schadensbearbeitung eingesetzt. Eine vom Berliner Start-Up Omnius entwickelte Software liest eingehende Schadensmeldungen automatisiert aus und verarbeitet die darin enthaltenen Informationen. Durch den Einsatz dieser KI-Lösung kann mehr Zeit für eine individuelle Fallbearbeitung gewonnen werden. Zukünftig könnte der Einsatz für KI in Versicherungsunternehmen auch auf andere Bereiche ausgeweitet werden, bspw. bei der Betrugserkennung. Auch Krankenversicherungen können ihren Versicherten zukünftig mehr digitale Leistungen anbieten. Die Techniker Krankenkasse nutzt bereits die Software Ada Health, einen intelligenten Symptomcheck. Die chatbasierte Anwendung befragt die Versicherten nach vorhandenen Symptomen und stellt dem Nutzer darauf aufbauend eine qualifizierte Analyse bereit. Ada Health informiert den Versicherten über mögliche Ursachen dieser Symptome und schlägt weitere Schritte wie z. B. die Konsultation eines Arztes vor.
Die nächsten Entwicklungen finden sich im Handel wieder. Mit dem auf Microsoft-Diensten basierenden System Luminate Demand Edge der JDA Software Group wird dem Handel die Einkaufsplanung erleichtert. Die Applikation kann sowohl die Menge als auch den Preis der Artikel für eine bestimmte Filiale bei der Einkaufsplanung berücksichtigen. Die App bezieht bei ihrer Planung zusätzlich über 200 Einflussfaktoren wie den Wochentag, das Wetter oder Veranstaltungen in der Umgebung mit ein. Auf diese Weise lassen sich mögliche Bestandslücken verringern und Regale gezielter mit den richtigen Produkten bestücken. In einem Blogbeitrag stellte Microsoft zudem weitere KI-Lösungen vor, mit denen die Digitalisierung im Handel vorangebracht wird.
Im Büroalltag sorgen KI-Systeme für erhebliche Zeitersparnisse. Virtuelle Assistenten übernehmen schon heute administrative Aufgaben wie bspw. die Organisation des Kalenders, das Filtern von E-Mails oder die Buchung einer Dienstreise. Dieses Potenzial haben große Unternehmen bereits erkannt: Amazon optimierte hierfür seinen eigenen Sprachassistenten und brachte „Alexa for Business“ auf den Markt. Hinter den Microsoft-Office-Produkten verbirgt sich ebenfalls Künstliche Intelligenz. Die Rechtschreib- und Grammatikprüfung, Auto-Formatierung oder Formulierungsvorschläge in Word & Co. sind aus dem Büroalltag nicht mehr wegzudenken. Für international tätige Unternehmen ist auch der PowerPoint-Translator ein unverzichtbares Feature geworden, da er Präsentationen live in die andere Sprache übersetzt.
Die Veränderung des Gesundheitswesens
Die wohl größten Entwicklungen von Künstlicher Intelligenz werden uns im Bereich des Gesundheitssektors erwarten.
In der Medizin, insbesondere in der Radiologie, kann Künstliche Intelligenz eine Unterstützung darstellen und Vorsorgeuntersuchungen vereinfachen. Dies lässt sich am Beispiel des Brustkrebs-Screenings verdeutlichen: Wurde bei einer Patientin eine Mammographie durchgeführt, werteten bisher immer zwei Radiologen die Röntgenbilder aus. Eine KI-Technik kann alle Befunde derer Menschen, die gesund sind, vorab aussortieren. Der Radiologe muss sich dann lediglich die positiven Befunde anschauen und auswerten, ob die aufgetretene Veränderung gut- oder bösartiger Natur ist. Künstliche Intelligenz kann auch beim Lungenscreening einen entscheidenden Faktor spielen, denn die Heilungschance ist deutlich höher, je eher ein Tumor in der Lunge erkannt wird. Während bei einer Mammographie nur zwei Bilder pro Frau vorliegen, existieren bei einem Lungenscreening zwischen 600 und 800 Aufnahmen pro Patient. Durch die Abnahme solcher Routineaufgaben kann ein Arzt sich auf eine individuellere Patientenversorgung fokussieren.
Schon heute kann die Künstliche Intelligenz genauere Diagnosen stellen und bessere Therapiemöglichkeiten vorschlagen, wie das Universitätsklinikum Essen zeigt. Um bei der Radiologie zu bleiben: Das KI-System der Uniklinik Essen vergleicht bei Lungen- oder Gebärmutterhalskrebs an die 2.000 Parameter miteinander. Etwas, was kein Mensch je schaffen würde. Auf dieser KI-Analyse basierend lässt sich mit einer Wahrscheinlichkeit von 97 % vorhersagen, ob ein Tumor bereits gestreut hat oder ob ein erhöhtes Metastasierungsrisiko vorliegt. Die Radiologen des Universitätsklinikums Essen können mithilfe Künstlicher Intelligenz mögliche Risikopatienten viel schneller identifizieren und die Therapiemöglichkeiten anpassen.
Bei Patienten bestehen oftmals die Bedenken, dass die KI auch Fehler macht, die Daten nicht sicher sind oder sie sich irren. Wie bei allen anderen KI-Systemen konzentriert sich das Training der Künstlichen Intelligenz jedoch auch in der Medizin auf das Ergebnis, d. h. in diesem Fall auf gelungene Diagnosen. Ein Experiment des Universitätsklinikums Heidelberg im Bereich der Dermatologie macht dies deutlich: In deren Versuch wurde ein künstliches neuronales Netzwerk mit 100.000 Beispielbildern trainiert, auf denen entweder ein gefahrloses Muttermal oder schwarzer Hautkrebs abgebildet waren. Lediglich 13 % der 58 beteiligten Dermatologen – die zu den weltweiten Top-Experten zählen – konnten die KI schlagen. In allen anderen Fällen schnitt der Algorithmus deutlich besser ab als die Leistung der Ärzte. Dieser Versuch unterstreicht das Potenzial Künstlicher Intelligenz in der frühzeitigen Erkennung von Krankheiten.
Doch nicht nur die Medizin wird von dem Einsatz Künstlicher Intelligenz profitieren, sondern auch der Pflegebereich. In Deutschland gab es 2018 insgesamt 3,4 Millionen Menschen, die einen Pflegegrad besaßen. Im Vergleich zum Jahr 2003 ist die Zahl der Pflegebedürftigen damit um 1,4 Millionen Menschen gestiegen. Dass die Altenpflege seit Jahren unter Fachkräftemangel leidet, ist kein Geheimnis. Im Jahr 2018 kamen laut der Bundesagentur für Arbeit durchschnittlich 3.100 arbeitslose Pflegefachkräfte auf 15.300 freie Stellen. Um dieses Problem zu lösen, könnten künftig häusliche Serviceroboter in der Pflege älterer und kranker Menschen eingesetzt werden. Mit diesem Forschungsgebiet beschäftigt sich derzeit das Forschungszentrum Munich School of Robotics and Machine Intelligence der Technischen Universität München. Auf Basis von Microsoft Azure Diensten sollen Roboter zukünftig einerseits selbständig Aufgaben übernehmen und andererseits eine Erweiterung des menschlichen Körpers darstellen. Gelähmte Menschen können dann mit einem Tastsinn ausgestattete Avatare nutzen, die über das Gehirn gesteuert werden.
Fazit
Künstliche Intelligenz nimmt uns bei der Arbeit eine Vielzahl an täglichen Routineaufgaben ab und wird die zukünftige Arbeitsweise produktiver und effizienter gestalten. Insbesondere das Gesundheitswesen wird von den Entwicklungen profitieren. Frühzeitige Erkennung und Diagnosen von Krankheiten ermöglichen höhere Heilungschancen, bessere Therapiemöglichkeiten und eine individuellere Patientenversorgung. Damit wird der Medizin- und Gesundheitsbereich eine grundlegende Veränderung und ein ganz neues Niveau erfahren.
Lesen Sie im nächsten Teil, welche Entwicklungen Künstliche Intelligenz im Bereich Weiterbildung und Wissenstransfer nehmen kann.
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