Der Launch von Microsoft Copilot für Microsoft 365 (nachfolgend kurz: M365 Copilot) geht einher mit überbordenden Erwartungen, aber auch vielen Fragen auf Seiten der Unternehmen: Was kann und wie arbeitet der Dienst tatsächlich? Wie werden Sicherheit und Performance gewährleistet? Welche Voraussetzungen müssen für eine reibungsloses Funktionieren erfüllt werden, wie sollten sich die Unternehmen sich auf den Copilot-Einsatz vorbereiten?
Diese Fragen stehen im Fokus einer ersten Folge von Time4Work, dem von T4M initiierten Podcast zur Gestaltung moderner Arbeitsumgebungen. Zu Gast ist der M365-Experte Sebastian Wagner, der als Technical Specialist bei Microsoft den Einstieg von Unternehmen in die Copilot-Welt begleitet. Unser Co-Moderator, der IT-Analyst Dr. Andreas Stiehler, fasst nachfolgend seine wichtigsten Erkenntnisse aus der Diskussion für Euch zusammen.
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M365 Copilot: Karl-Klammers Urenkel als Produktivitätsbooster
Die an Microsoft 365 Copilot geknüpften Erwartungen sind gewaltig. Einige Berater und Fachmedien sprechen bereits von einer „Revolution der Arbeitswelt“. Auch Microsoft-Chef Satya Nadella selbst zeigt sich hoch-ambitioniert.
„Als ich vor 30 Jahren gestartet bin, wollten wir Computer in jeden Haushalt bringen. Heute wollen wir Copilot in jedes Gerät bringen.“
(Satya Nadella, Microsoft)
Wobei vielfach noch unklar ist, worüber wir hier genau sprechen: M365 Copilot ist zwar derzeit gefühlt in aller Munde, aber nur wenige Menschen hatten bislang Gelegenheit, den Dienst tatsächlich auszuprobieren. Dementsprechend variieren die Vorstellungen. Die einen assoziieren den neuen KI-Dienst mit „Karl Klammer“ – einem animierten Assistenten, der in Microsoft Office regelmäßig aufpoppte, um mit Tipps und Hilfsangebote die Bedienung zu unterstützen. Andere erwarten ein „ChatGPT für Unternehmen“.
Bevor Sebastian Wagner den Dienst beschreibt, ordnet er ihn erst einmal ein: „Copilot“, so erläutert er, steht bei Microsoft heute als Dachbegriff für KI-Assistenzdienste, die sowohl in privaten als auch in geschäftlich genutzten Applikationen integriert werden – von Windows über Github bis hin zu Dynamics, Security oder Power Plattform. Den Microsoft-Kunden stehen also viele verschiedene Copiloten zur Verfügung – wobei sich die konkrete Anzahl je nach Lizenzmodell unterscheidet.
Die Assoziationen des KI-Dienstes mit Karl Klammer seien zum Teil berechtigt. Tatsächlich setze MS365 Copilot auf die schon lange existierende Idee auf, den Menschen bei der Nutzung der Microsoft-Anwendungen einen virtuellen Begleiter an die Hand zu geben. M365 Copilot stehe also durchaus in einer Linie mit dem ehemaligen Office-Assistenten, nur sind dessen Möglichkeiten viel weitreichender. So erweisen sich Karl Klammers intelligente Urenkel im praktischen Einsatz als echte „Produktivitätsbooster“, die Routineaufgaben übernehmen und kreative Vorschläge machen.
Im Gespräch erläutert Sebastian anhand praktischer Beispiele, wie sich die Arbeit mit dem Dienst anfühlt und wo die Mehrwerte konkret liegen. Darüber hinaus verweist der Technical Specialist auf die gerade erst im November 2023 veröffentlichten Ergebnisse des Microsoft Work-Trend-Index. Für diese Untersuchung wurden erstmals Mitarbeitende aus jenen 600 Unternehmen befragt, die M365 Copilot bereits testen konnten. Etwa zwei Drittel (und mehr) der Befragten berichten von einem signifikanten Anstieg bei Produktivität, Geschwindigkeit und Kreativität.
Copilot bietet mehr als „ChatGPT für Unternehmen“ und nimmt Datenschutz ernst
Auch die Beschreibung von M365 Copilot als „ChatGPT für Unternehmen“ sei nicht gänzlich aus der Luft gegriffen. Immerhin benutze M365 Copilot das gleiche Grundmodell – wobei, so betont Sebastian, das Gleiche nicht das Selbe bedeutet. Denn zum Einsatz kommen nur Instanzen des von Open AI entwickelten Large Language Model (LLM). Diese werden ausschließlich von Microsoft in eigenen regionalen Rechenzentren – ohne irgendwelche Verbindungen zu OpenAI – betrieben. Für deutsche Kunden bedeute dies: Das LLM für M365 Copilot läuft in europäischen Rechenzentren. Es gibt keinen Datenabfluss, die vertraglichen Zusicherungen von Microsoft mit Blick auf den Datenschutz bei M365 bleiben unverändert.
Mehr noch: Die bei der Nutzung von M365 Copilot genierten Daten werden nicht zum Trainieren des KI-Modells genutzt, sondern nach der Nutzung wieder gelöscht. Microsoft nimmt also das Thema Datenschutz sehr ernst. Dafür müssen die Kunden allerdings auch Einschränkungen in der User Experience in Kauf nehmen. Denn: Wenn keine Nutzungsdaten gespeichert werden, kann sich der Dienst auch nicht auf die Profile (Präferenzen, häufig genutzte Dienste etc.) einzelner Nutzerinnen und Nutzer einstellen.
Trotz dieser Einschränkung gelingt es M365 Copilot, in einfacher Sprache gestellte Anfragen im Unternehmenskontext einzuordnen, zu interpretieren und zu beantworten. Im Podcast gibt Sebastian einen Einblick, wie das so genannte „Grounding“ mit Hilfe des Microsoft Graph und des Semantic Index technisch genau funktioniert. Begleitend dazu lohnt es sich, die nachfolgende Grafik zu nutzen bzw. ein kurzes Illustrationsvideo (oder hier für Semantic Index) zu schauen. Für diejenigen Hörer, die es ganz genau wissen wollen, empfehlen wir zudem die Aufzeichnung einer Session zur Vorstellung der M365-Copilot-Architektur auf der Microsoft-Konferenz Ignite.
Performance und Sicherheit von M365 Copilot: Mitwirkung der Unternehmen gefragt
Die Ausführungen von Sebastian zur Arbeit des Copilot-Systems helfen schließlich dabei, zu verstehen, welche Voraussetzungen für ein sicheres und reibungasloses Funktionieren des Dienstes geschaffen werden müssen. So wird klar: Der Umfang und die Aktualität der Dokumente und Informationen, die von dem Unternehmen in der Microsoft 365 Plattform hinterlegt sind, haben einen entscheidenden Einfluss auf die Performance des KI-Assistenten. Oder, wie Sebastian es ausdrückt:
„Der in der Informatik verbreitete Spruch „Garbage in, Garbage out“ gilt auch für die Arbeit mit Microsoft 365 Copilot.“
(Sebastian Wagner, Microsoft)
Die Verantwortung für die Leistungsfähigkeit des Dienstes liegt also auch bei den Unternehmen. Veraltete Dokumente und unvollständigen Informationen (z.B., weil sich ein Teil noch in anderen Systemen befindet) begünstigen unvollständige oder gar fehlerhafte Antworten, die sogenannten Halluzinationen.
Gleiches gilt für die Gewährleistung der Sicherheit: Nur wenn die Unternehmen aktiv daran mitwirken, lässt sich verhindern, dass sensible Daten in falsche Hände geraten. Wichtig sei es vor allem, das „Oversharing“ (also, das übermäßige Teilen) von Informationen zu vermeiden, die Zugriffsregeln auf das notwendige Maß zu begrenzen und Dokumente mit Sicherheitshinweise versehen. Diese für einen wirksamen Datenschutz ohnehin gebotenen Maßnahmen gewinnen mit dem Einsatz von M365 Copilot (als hocheffektives Suchwerkzeug) immens an Bedeutung.
KI-Arbeit sollte heute schon starten, auch wenn M365 Copilot noch nicht im Einsatz ist
Und damit sind wir auch bei der finalen Frage des Podcasts: Was können mittelständische Unternehmen heute schon tun, um sich auf den Einsatz von M365 Copilot vorzubereiten? Schließlich wird der Dienst zunächst nur Unternehmen zur Verfügung gestellt, die mindestens 300 Lizenzen abnehmen (Stand: 05. Dezember 2023). Für die meisten Mittelständler ein Ausschlusskriterium. Für mittelständische Interessenten, die auf den Launch von M365 Copilot hingefiebert haben, ist diese Barriere zweifellos ein großes Ärgernis. Sie bietet aber auch die Chance, zunächst die Voraussetzungen für einen effektiven und sicheren Einsatz zu schaffen.
Im Gespräch verweist Sebastian u.a. auf die folgenden ToDo`s:
- M365-Cloud-Migration abschließen;
- Datenhygiene voranbringen, einschließlich Dokumenten-Lifecycle-Management sowie Labeling & Information Protection – hier ein sehr guter Beitrag zum Thema;
- Berechtigungskonzepte überprüfen, Oversharing eindämpfen, aktive Nutzung von M365 Compliance Center.
Eine zeitnahe Umsetzung dieser Maßnahmen lohne sich in jedem Fall, ganz gleich, ob bzw. wann M365 Copilot zum Einsatz kommt. So seien hohe Datenhygiene-Standards beispielsweise auch essenziel für eine effektive Dokumentensuche mit dem Semantic Index, der den Unternehmen aus separat zur Verfügung stehe.
Schließlich empfiehlt Sebastian, das Potenzial von bereits vorhandenen und breit verfügbaren Microsoft KI-Diensten bzw. – Funktionalitäten wie Microsoft Copilot Chat (vormals: Bing Chat Enterprise) oder Meeting Recap in Teams Premium noch besser auszuschöpfen. Populäre Use Cases wie die Analyse von Dokumenten oder die Zusammenfassung von Meetings ließen sich auch damit bereits realisieren.
Aber hört gerne selbst, es lohnt sich. Mit Sebastian im Gespräch werden Microsoft 365 Copilot sowie die damit verbunden Chancen und Herausforderungen plastisch nachvollziehbar. Ein lehrreiches Hörvergnügen und ein perfekter Start für unseren neuen Podcast. Vielen Dank dafür! Wir freuen uns auf Euer Feedback.
Spoiler: Die nächsten Time4Work-Podcast-Episoden warten bereits auf die Ausstrahlung. Um nichts zu verpassen: Folgt uns einfach unter: #Time4Work
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