Die Bavaria Klinik Kreischa befindet sich mitten in der digitalen Transformation, bei der Workplace-Modernisierung, Prozessoptimierung und Kulturwandel Hand in Hand gehen. Ein ambitioniertes Vorhaben, das die gesamte Belegschaft fordert und zugleich für frischen Wind sorgt. Denn angesichts der vielfältigen Herausforderungen, die mit der Digitalisierung des Klinikbetriebs einhergehen, sahen sich die Verantwortlichen gefordert, beim Change-Management neue Wege einzuschlagen. In dessen Ergebnis steht nicht nur eine modernere Ausstattung, sondern auch ein neues Miteinander – ein inspirierendes Praxisbeispiel mit Leuchtturm-Charakter für die Digitalisierung des Gesundheitswesens.

Im nachfolgenden Blogbeitrag berichtet der Analyst Dr. Andreas Stiehler über eine aktuelle Episode von Time4Work, den von T4M initiierten Podcast zur Modernisierung von Arbeitsumgebungen. Im Fokus: „Bavaria Klinik Kreischa in der digitalen Transformation“ mit der Prokuristen Tina Treppe und dem Change Manager Jens Schollmeier.

Bavaria Klinik Kreischa – Transformationsfähigkeit als Erfolgsfaktor

Der „Wandel“ ist bei der Bavaria Klinik Kreischa Teil der DNA. Schließlich ist es ihr gelungen, eine sächsische Erfolgsgeschichte zu schreiben, indem sie sich immer wieder neu an die sich verändernden Bedingungen und Anforderungen im Gesundheitswesen anpasste. Erst wandelte sich das einstige Zentralinstitut für Sportmedizin der DDR in eine renommierte (klassische) Reha-Klinik, die sich dann weiter zu einem Rehabilitationszentrum für Intensivmedizin und Frührehabilitation transformierte. Währenddessen wuchs die Belegschaft von 250 zu Beginn der 1990er-Jahre auf heute ca. 3.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Laut Prokuristin Tina Treppe positioniert sich die Klinik heute als eine Kombination aus Krankenhaus mit Intensivstation und (Früh-) Reha-Klinik. Als solche fokussiert sie sich auf die Weiterbetreuung von „schwerst betroffenen Patienten“, die in einem stabilisierten Zustand von den Akutkrankenhäusern übernommen werden. Wichtig auch: Die ca. 800 Patientinnen und Patienten werden ganzheitlich betreut durch einen Verbund verschiedener, in Kreischa angesiedelter Fachdisziplinen. Dieses zunächst neuartige Geschäftsmodell, das vielfältige Vorteile für das Patientenwohl bietet und sich während der Corona-Pandemie in besonderer Weise bewährte, hat sich mittlerweile etabliert.

Bavaria Klinik Kreischa

Krankenhauszukunftsgesetz war Auslöser für eine umfassende Digitalisierung

Währenddessen ist die nächste einschneidende Transformation bereits im Gange: Unter dem Slogan „B-smart“ startete die Baviaria Klinik Kreischa vor einigen Monaten ein umfassendes Digitalisierungsvorhaben, das – wie die Diskussion im Podcast zeigt – weit über die rein technische Modernisierung von Arbeitsumgebungen hinausreicht. Anlass bzw. Startpunkt der Initiative war das Krankenhauszukunftsgesetz, das im Jahr 2020 (unter dem damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn) in Kraft trat und auf eine Förderung von Digitalisierungsinitiativen im Krankenhausumfeld abzielte.

Bis dahin spielte die Digitalisierung im Betrieb des Klinikums keine allzu große Rolle, dazu fehlten laut Tina Treppe schlicht die Zeit und auch die Mittel. In einer Reifegrade-Messung mit mehr als 200 Fragen zum Stand der Digitalisierung, die begleitend zur Einführung des neuen Gesetzes durchgeführt wurden, erzielte die Bavaria Klinik Kreischa etwa ein Drittel der Punkte und rangierte damit in etwa im Mittelfeld der ca. 1.600 Krankenhäuser, die an dieser Untersuchung teilnahmen.

Digitalisierung geht mit Kulturwandel einher – und fordert die gesamte Klinik

Das Gesetz bot für die Klinik Bavaria Kreischa die Chance, einen Teil der für die Digitalisierung notwendigen Mittel finanziert zu bekommen. Dessen Umsetzung birgt jedoch auch immense Herausforderungen. Erstens war der Zeitraum der Förderung begrenzt. Sprich: In sehr kurzer Zeit musste eine digitale Strategie erarbeitet sowie daraus konkrete förderfähige Projekte abgeleitet und initiiert werden. Weiterhin wurde den Verantwortlichen beim Blick auf die Förderrichtlinien deutlich, wie vielschichtig das Thema Digitalisierung im Gesundheitsweisen ist – und dass sich mit ihr die Unternehmenskultur verändern wird.  

Tina Treppe verweist als Beispiel auf die „digitale Dokumentation der Patientenbehandlung per Sprachsteuerung“, die sich für sie zum damaligen Zeitpunkt einfach nur futuristisch anhörte – weit entfernt von den gewohnten Routinen. Kurzum: Das Thema erwies sich als zu umfassend und dessen Auswirkungen zu tiefgreifend, als dass man es im kleinen Kreis hätte planen und umsetzen können.

Wir sind schnell darauf gekommen, dass die digitale Transformation einen kompletten Wandel der Unternehmenskultur nach sich zieht. Ein solches Vorhaben lässt sich nur stemmen, indem wir Projektgruppen bilden, Programmarbeit leisten und dabei alle mit ins Boot holen – also auch die Mitarbeiter schon an der Strategiefindung beteiligen, um die Digitalisierung so praxisnah wie möglich zu gestalten.

Tina Treppe im Podcast-Interview, sinngemäße Wiedergabe

Mit Unterstützung einer Beratungsfirma wurden deshalb zunächst unternehmensweit Workshops organisiert, um ausgehend von einer Evaluierung der bestehenden Prozesse, Modernisierungsbedarf abzuleiten und eine Digitalstrategie für das Unternehmen zu entwickeln. Mehr als 200 Mitarbeitende waren in dieser Phase eingebunden, was sich aus Sicht des Change-Management-Verantwortlichen Jens Schollmeier der Akzeptanz des Vorhabens zugutekam. Für viele Menschen, die der Digitalisierung zunächst skeptisch gegenüberstanden, sei Prozessevaluierung ein Schlüsselerlebnis gewesen. Indem sie die aktuellen Abläufe kritisch hinterfragten, lernten sie schließlich auch, wo sich mithilfe digitaler Werkzeuge die Arbeit einfacher gestalten und die Patientenbetreuung verbessern lässt.

Im Verlauf der Diskussionen zeigte sich zudem, dass der Modernisierungsbedarf im Rahmen des digitalen Wandels weit über die Implementierung neuer Technologien hinausreicht.

So wurden im Ergebnis nicht nur 50 bis 60 Einzelprojekte unter dem Slogan B-smart in die Digitalisierungsstrategie bis 2030 aufgenommen, sondern parallel dazu noch viele angrenzenden Vorhaben initiiert.  Diese setzen sich u.a. mit der Steigerung der Arbeitgeberattraktivität, mit der Qualitätssicherung bei der Leistungserbringung, mit Fragen der Nachhaltigkeit (B-green) oder mit der Gesundheit bzw. Resilienz des Personals (B-healthy). Kurzum: Das Digitalisierungsvorhaben wurde zum Auslöser für eine umfassende Modernisierung des Unternehmens und der Unternehmenskultur.

Bavaria Klinik Kreischa

Digitalisierung des Klinikbetriebs birgt mannigfaltige Herausforderungen

Damit aber nicht genug: Im Gespräch verwiesen Tina Treppe und Jens Schollmeier noch auf zahlreiche weitere Herausforderungen, die bei der Erarbeitung und Umsetzung der Digitalstrategie zu beachten waren. Darunter:   

  • Besondere Positionierung der Klinik: Während sich die staatliche Förderung allein auf Digitalisierung des Krankenhausbetriebs fokussiert, muss sich die Klinik Kreischa auch mit der Digitalisierung des Reha-Bereichs auseinandersetzen – wofür es freilich keine Fördermittel gibt. Hinzu kommt noch, dass wegen der Fokussierung der Klinik auf „schwerst betroffene Patienten“ förderfähige Digitalprojekte wie eine digitale Patientenanmeldung nur in abgeänderter Form (Anmeldung durch Verwandte) umgesetzt werden können. Schließlich ist es angesichts Nischenpositionierung der Klinik notwendig, sich in Fragen der Digitalisierung eng mit vor- und nachgelagerten Gesundheitseinrichtungen abzustimmen.
  • Besondere Sicherheits- und Datenschutzanforderungen: Bei der Digitalisierung des Klinikbetriebs als systemkritische Einrichtung gilt es, die hohen Sicherheits- und Datenschutzanforderungen zu beachten. So verzichtet die Klinik Kreischa aus Sicherheitsgründen bislang auch bewusst darauf, Teil der IT extern betreiben zu lassen oder als Cloud-Service zu beziehen – was die Gestaltungsmöglichkeiten einschränkt.
  • Diversität in der Personalstruktur: Bei Planung und Umsetzung der Digitalisierungsstrategie gilt es schließlich auch, die hohe Diversität der Belegschaft in der Klinik Bavaria Kreischa im Hinblick auf Alter, Kultur und Sprache zu berücksichtigen.  Mehr als 60 Nationalitäten sind an der Klinik vertreten. Das Spektrum der Beschäftigten reicht von der 16-jährigen Auszubildenden bis zum 80-jährigen Therapeuten. Wichtig auch mit Blick auf das Veränderungsmanagement: Viele Menschen hier haben sich bewusst für eine Tätigkeit mit Menschen (und nicht mit einem PC) entscheiden.

Offene Kommunikationspolitik überforderte zunächst, bevor sie in Vertrauen mündete

Die Grundvoraussetzung für das Gelingen des Vorhabens, darin sind sich Tina Treppe und Jens Schollmeier einig, ist die Akzeptanz und Mitwirkung der Menschen vor Ort. Schließlich greift die Digitalisierung tief in deren Arbeitsalltag ein. Um Vertrauen aufzubauen, entschieden sich die Verantwortlichen, auch in der Kommunikation neue Wege einzuschlagen. Von Beginn wurde nun offen über Vision, Zielbild und Projekte der Digitalisierung informiert und die Menschen zur Mitwirkung eingeladen. Diese Änderung in der Kommunikationspolitik sorgte aber zunächst eher für Irritationen, denn für Begeisterung:

Die Menschen im Unternehmen waren das nicht gewohnt, dass auf einmal über Projekte sehr zeitig informiert wurde. Und das nur, damit man sich erst mal Gedanken machen würde. Und dann wurde auf einmal gesagt: Passt auf, wir brauchen dafür und dafür Eure Ideen. Wollt ihr dort nicht mitgestalten?! Damit waren die Leute erst mal überfordert. Es war ein sehr langer Prozess, die Leute erst mal dahin zu bekommen, dass sie sich in solche Themen einbringen können. Dass es gewünscht ist, in diesen Austausch zu kommen.

Jens Schollmeier

Jens Schollmeier nahm diese Erfahrung zum Anlass, noch intensiver zu versuchen, mit den unterschiedlichen Berufsgruppen überhaupt in Kontakt zu kommen und Feedback zu erhalten.Dafür setzt er heute auf einen Mix an Kommunikationsmaßnahmen– von Einzelgesprächen vor Ort über vierteljährlich ausgestrahlte Videokonferenzen zum aktuellen Projektstatus bis hin zu regelmäßigen Informationen im Intranet und auf der Mitarbeiter-App. Gleichzeitig arbeiten die Verantwortlichen am Auf- und Ausbau eines Netzwerks mit Ansprechpartnern vor Ort, an die sich Menschen mit Fragen und Problemen wenden können.

Die neue Kommunikationspolitik, so bestätigt Tina Treppe, zeigt mit der Zeit immer mehr Wirkung. Die Menschen gewinnen Vertrauen, sie registrieren, dass sich tatsächlich etwas tut und geben auch öfter Feedback.

Bavaria Klinik Kreischa

Digitalisierung zum Anfassen (Teststellungen) erweist sich Schlüssel für die Akzeptanz

Den größten Effekt auf das Engagement der Mitarbeitenden aber hatte laut Jens Schollmeier letztlich die Einrichtung eines Demo-Raums für die Patientenbetreuung, den er regelmäßig gemeinsam mit Menschen vor Ort aufsucht, um neue Geräte vorzuführen, zu testen und Feedback einzuholen. Die neuen Technologien, so erläuterte Jens Schollmeier, waren nun anfassbar: „Die Leute waren hier nicht mit einer Vision konfrontiert, sondern hatten ein reales Setting, was sie wiedererkannt haben, was sie anfassen und mit dem sie reale Szenen durchspielen konnten.“

Dies zeigte Wirkung: Die Mitarbeitenden fühlten sich wohl und gaben spontan wertvolles Feedback – sowohl für die Planung der digitalen Lösung als auch zur Ermittlung des Schulungsbedarfs. Hinzu kommt noch, dass es dem Change-Management-Experten in diesem inspirierenden Umfeld auch einfacher gelang, künftige Key User als Ansprechpartner für die Menschen vor Ort zu akquirieren.

Eine echte Erfolgsgeschichte also, die weiter fortgesetzt wird. So betrieb die Klinik zum Zeitpunkt des Podcast-Interviews u.a eine Teststellung im Intensivbereich, bei der unter anderem ein Single-Sign-on-Verfahren von einem kompletten Stationsbereich praktisch getestet wurde. Gleichzeitig arbeitet Jens Schollmeier & Team intensiv daran, die Mitarbeitenden für die Arbeit mit digitalen Geräten fit zu machen. So wurden innerhalb eines Jahres 24 „Start smart“-Workshops durchgeführt, um nach und nach die künftig erforderlichen digitalen Kompetenzen zu vermitteln.

Fazit: Digitalisierung und Kulturwandel Zusammendenken!

Wie es mit der Digitalisierung weitergeht, mit welchen Ergebnissen die vielen Vorhaben umgesetzt wurden und inwieweit sich der Kulturwandel dabei manifestiert hat, erfahren wir hoffentlich in einer künftigen Fortsetzung der Podcast-Episode. Zunächst aber ist es Zeit für ein Zwischenfazit.

Festzuhalten bleibt: Die Digitalisierung hat Fuß gefasst an der Bavaria Klinik Kreischa und sorgt dort für frischen Wind, der auch die Unternehmenskultur kräftig aufgewirbelt.

Die Erfahrungsberichte von Tina und Jens zeigen eindrucksvoll, wie umfassend und facettenreich sich die digitale Transformation im Gesundheitsweisen darstellt.  Und wie tiefgreifend sich die Modernisierung der Arbeitsumgebungen auswirkt – weit über rein technische Aspekte hinaus. Ich ziehe den Hut vor den Menschen, die sich dieser Aufgabe stellen.

Im Hinblick auf das Veränderungsmanagement zeigt sich einmal mehr und sehr eindrucksvoll: Die Digitalisierung bedingt und befördert einen Kulturwandel im Unternehmen. Nur wenn die Menschen bereit und in der Lage sind, die neuen Technologien für sich zu nutzen, lässt sich die erhoffte Wirkung erzielen.  Im Gesundheitsweisen, wo der Faktor „Mensch“ traditionell eine herausragende Rolle innehat, gilt dies in besonderer Weise. Und noch eine ganz praktische Erkenntnis zum Schluss: Macht die Digitalisierung greifbar, dann gewinnt ihr auch die Menschen!

Jetzt die ganze Folge hören!

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